Warum es so wichtig ist, zu fühlen

Die Wut sitzt im Bauch, sagt der Volksmund. Laut der traditionellen chinesischen Medizin in der Leber, über die uns manchmal eine sprichwörtliche Laus läuft. Überhaupt gibt es eine Vielzahl an Redewendungen, die uns auf die Verbindung von Körper und Gefühlen aufmerksam machen. „Das ist mir jetzt wirklich auf den Magen geschlagen“, sagt jemand, dem vielleicht gerade gekündigt wurde, „das muss ich erstmal verdauen.“

Auch Herzschmerz hat wohl jeder schonmal erlebt; Liebeskummer, Stress und Trauer können sogar so intensiv werden, dass sie zum „Broken-Heart-Syndrom“ führen. Dabei entstehen Symptome wie bei einem Herzinfarkt, und der Betroffene braucht umgehend ärztliche Behandlung. Körper und Emotionen sind also untrennbar miteinander verbunden, was die Lehre der Psychosomatik bestätigt.

 

Gefühle vermeiden durch Aktionismus

 

Vielleicht kennst du es auch, dass du manchmal so beschäftigt und „busy“ bist, dass du gar nicht mehr richtig spürst, wie es dir eigentlich geht. Der Job, die Familie - es gibt so viel zu tun! Die Angewohnheit, ständig beschäftigt zu sein, ist hierzulande in der Tat weit verbreitet. Andauernde Aktivität allerdings hält uns vom Fühlen ab!

 

Auf körperlicher Ebene erklärt sich das folgendermaßen: In Aktivität ist der sympathische Teil unseres Nervensystems aktiv, der dafür sorgt, dass das Blut vor allem zum Herzen und zur Muskulatur geleitet wird. Auch die Atmung findet dann eher im oberen Bereich des Rumpfes statt. Die Energie wird vom Bauchraum und den Organen weggezogen – dort sind aber viele Gefühle zu Hause! Nicht nur die Wut, sondern auch viele weitere „unverdaute“ Emotionen.

 

In Entspannung steht der parasympathische Teil des Nervensystems im Vordergrund, deine Atmung fließt tiefer und dein System kann in Ruhe verdauen – nicht nur Nahrung, sondern auch alles, was in deinem Leben passiert. Du wirst wieder mit dir und deinen Gefühlen verbunden. Deshalb sind regelmäßige Zeiten zur Entspannung so wichtig!

 

„Gute“ und „schlechte“ Gefühle?

Gefühle werden von den meisten Menschen als gut oder schlecht bewertet. Wir wollen die angenehmen Emotionen, wie Freude, Leichtigkeit, Vertrauen, Lust und Spaß. Am besten täglich! Die unangenehmen Gefühle wie Schmerz, Wut und Trauer dagegen vermeiden wir lieber oder bedienen uns einer der zahlreichen Strategien, um sie nicht zu fühlen – z.B. Aktionismus, Ablenkung, Flucht in Arbeit, Essen usw. Allerdings birgt das viele Nachteile:

 

  • Was du nicht fühlen willst, bindet einen Großteil deiner Energie. Du bist nie mit 100% unterwegs, weil ein Teil von dir damit beschäftigt ist, dein Gefühl zu verdrängen
  • Dein Herz ist nicht offen. Vielleicht vermeidest du etwas in deinem Leben, um nicht mit dem Gefühl in Kontakt zu kommen
  • Das Gefühl wird sich auf andere Weise seinen Weg suchen, langfristig vielleicht sogar durch körperliche Symptome
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 Fühlen dagegen birgt so viele Vorteile:

  • Gefühle machen dich erst richtig lebendig. Kein Gefühl an sich ist gut oder schlecht, es ist einfach ein Gefühl mit einer bestimmten Qualität, genau wie Regen, Wind und Sonne nicht gut oder schlecht sind, sondern sogar notwendig
  • Wut, Traurigkeit und Schmerz sind in Wahrheit hervorragende Lehrer. Wenn du dich traust, sie bewusst zu fühlen, wirst du dadurch auch ihren Gegenpol Liebe, Freude und Lust viel intensiver spüren
  • Dein Herz kann sich wieder öffnen
  • Dein Körper fühlt sich ausgeglichener, und deine Psyche erst recht
  • Du wirst immer authentischer und gewinnst immer mehr Lebensfreude


Wie du Körper und Gefühle in Balance bringst

Meiner Erfahrung nach sind die folgenden Schritte sehr hilfreich, um dich täglich mit dir und deinen Gefühlen zu verbinden und dich damit ausgeglichener und glücklicher zu fühlen:

 

Körperwahrnehmung: Halte jeden Tag immer mal wieder für ein paar Minuten inne und spüre deinen Körper. Stell die Füße fest und flächig auf den Boden, beobachte deinen Atem und verlagere deine Aufmerksamkeit nach innen. Bewerte nach Möglichkeit nicht, was du fühlst, sei einfach achtsam und präsent.

 

Atmung: Lerne, tiefer zu atmen. Beobachte zunächst deine Atemgewohnheiten und spüre, wie du unwillkürlich die Luft anhältst wenn du etwas nicht fühlen willst. Das tun wir alle :-) Dann nimm stattdessen bewusst einen tiefen Atemzug und sag innerlich „Willkommen“ zu deinem Gefühl.

Bewegung: Sport und Bewegung verhelfen dir zu einem besseren Körpergefühl und einer tieferen Atmung. Diese findet dann nicht nur im Brustraum statt, sondern reicht bis zum Bauch – wo bekanntermaßen viele Gefühle zu Hause sind. Eine tiefere Atmung wiederum lässt dich damit auch emotional mehr fühlen.

 

Relaxen: Besonders als „Aktionist“ brauchst du Zeiten zum Entspannen! Vielleicht fühlst du dann, wie anstrengend es ist, so aktiv zu sein, oder du fühlst, welches Gefühl sich dahinter verbirgt. Aber du wirst damit belohnt werden, wieder ganz mit dir selbst verbunden zu sein - und das ist das beste Gefühl überhaupt!